Praxisbörse@home: COVID-19-Pandemie und Grenzen
Dauer | ca. 2-3 Stunden, je nach Intensität |
Schulstufe | ab der 10. Schulstufe |
Methoden | Mind-Map, Recherche, Reflexion, Diskussion |
Materialien | Zettel, Stifte, Internet |
Kompetenzen | Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Urteilskompetenz |
Zielsetzungen | Die SchülerInnen setzen sich aus einer menschenrechtlichen und demokratiepoltischen Sicht mit Beschränkungen und Grenzen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie auseinander. Sie lernen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unter dem Aspekt der Situation einer Pandemie kennen. |
Lehrplanbezug |
Lehrplan GSK/PB Sek I (2016): 7. Schulstufe/Modul 4/Historisch-politische Bildung: Internationale Ordnungen und Konflikte im Wandel; 8. Schulstufe/Modul 2/Historische Bildung: Ausgewählte Aspekte von Globalisierung im 20. und 21. Jahrhundert Lehrpläne Recht/Ethik/Religion |
Autorin |
Elisabeth Turek |
Datum | 30.3.2020 |
Text für SchülerInnen
Grenzen, Menschenrechte und COVID-19-Pandemie
Wenn ihr an Grenzen denkt, habt ihr im ersten Moment wahrscheinlich Grenzstationen, Mauern oder Stacheldrahtzäune vor Augen. Seit dem Frühling 2020 müssen wir uns in Europa aufgrund der COVID-19-Pandemie mit ganz neuen, unbekannten Grenzen auseindersetzen. Sie gelten für alle Menschen und bedeuten tiefe Einschnitte im öffentlichen und privaten Leben. Dass davon auch Menschenrechte betroffen sind, hast du spätestens dann gemerkt, als die Regierung dazu aufrief, Kontakte auf das Notwendigste zu reduzieren. Eine Folge ist, dass du deine Freunde und Freundinnen eine zeitlang nur über Online-Kanäle sehen kannst (oder über einen Gartenzaun).
Vieles, das ganz selbstverständlich war, ist derzeit eingeschränkt (z.B. die Bewegungsfreiheit) oder kann überhaupt nicht umgesetzt werden (z.B. das Recht auf Versammlungsfreiheit). Dadurch soll der Anstieg an Neuinfektionen möglichst gering gehalten werden. Vielleicht haben diese Maßnahmen bei dir ein mulmiges Gefühl hinterlassen? Hast du dich gefragt, ob die Regierung das einfach so darf?
Wir sind nicht daran gewöhnt, dass unsere Freiheit so eingeschränkt ist, wie das aktuell gerade der Fall ist. Aber unter bestimmten Umständen, wenn es die öffentliche Sicherheit und Gesundheit erfordert, kann es für eine gewisse Zeit Einschränkungen von Rechten geben. Beispiele für Änderungen sind die Bewegungs- und Reisefreiheit oder soziale und wirtschaftliche Rechte (derzeit dürfen beispielsweise nur Geschäfte offen haben, die Menschen mit Lebensnotwendigem versorgen).
Aus menschenrechtlicher Perspektive ist es wichtig, dass die Änderungen notwendig und verhältnismäßig sind und auch das Prinzip der Legalität berücksichtigen (d.h. dass sie mit geltendem Recht und Gesetzen übereinstimmen). Dabei sollen die „gelindesten Mittel“ (= Maßnahmen, die am wenigsten schwerwiegende Folgen haben) angewandt werden.Einige Menschenrechte sehen schon im Gesetzestext Ausnahmen für eine Notsituation vor. Abweichungen vom Verbot der Todesstrafe, der Folter und der Zwangsarbeit sind jedoch in keinem Fall erlaubt.
Nach dem Völkerrecht ist eine Quarantäne, die das Recht auf freie Bewegung einschränkt (etwa wie in Tirol vom 19. März bis 13. April 2020), übrigens nur dann gerechtfertigt, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllt:
Sie ist … verhältnismäßig, zeitgebunden, zu legitimen Zwecken durchgeführt, streng notwendig, wo immer möglich freiwillig, wird nicht in diskriminierender Weise angewandt.
Arbeitsaufgaben für euch:
Schreibe die Antworten für die folgenden Aufgaben in ein Word-Dokument. Es kann als Grundlage für den Online-Austausch (oder per Telefon) mit einer Klassenkollegin oder einem Klassenkollegen und deiner Lehrkraft dienen.
Schritt 1: Zeichne eine Mind-Map (eine Gedankenlandkarte) zum Thema "Grenzen und COVID-19-Pandemie". Nimm dir dafür max. 10 Minuten Zeit. Schreibe alles auf, was dir einfällt. Markiere danach mit unterschiedlichen Farbstiften, ob es sich um persönliche, räumliche, zeitliche, gesellschaftliche, politische Grenzen handelt. Manchmal gibt es keine eindeutige Zuordnung bzw. können Themen oder Begriffe auch für mehrere Bereiche gelten.
Informationen, wie du eine Mind-Map machen kannst, findest du unter: www.mindmapping.com/de/
Welche Themen sind aufgetaucht? Welche fünf Begriffe/Gedanken erscheinen dir am wichtigsten? Schreibe sie in das Word-Dokument.
Schritt 2 : Recherchiere: Welche neuen Beschränkungen/Grenzen gelten derzeit in der COVID-19-Pandemie in Österreich für alle?
- Mach dir Notizen zu diesen Beschränkungen.
- Überlege dir drei mögliche Auswirkungen für den Fall, dass es diese Beschränkungen nicht gäbe: Angenommen, es gäbe diese Beschränkungen nicht, dann ...
- Überlege dir drei mögliche Gefahren, die du für die Demokratie siehst: Demokratiepolitische Risiken, die mit diesen Maßnahmen einhergehen, könnten sein, dass ...
Schritt 3: Beschäftige dich damit, welchen Zusammenhang es zwischen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) und der Pandemie gibt. Die EMRK hat in Österreich seit 1964 Verfassungsrang, sie ist daher von besonderer Bedeutung.
Lade zunächst die einfache Version oder das Original der EMRK herunter (siehe Linktipps).
a) Thema Einschränkungen: Wirf einen Blick in die EMRK und finde heraus, welche Rechte von den derzeitigen Einschränkungen betroffen sind. Bei welchen Artikeln gibt es Einschränkungen in der Ausnahmesituation, um die Zahl der Neuinfektionen möglichst gering zu halten?
b) Thema Ausnahmen: Finde einen Artikel in der EMRK, der sich auf Ausnahmen der Konvention bezieht (z.B. wenn in dem Sonderfall einer Pandemie die Gesundheit und die öffentliche Ordnung geschützt werden sollen).
c) Thema Gültigkeit der EMRK: Was könnte sich auf politischer Ebene in einem Land dadurch ändern, dass die Konvention eingeschränkt wird? Welche Auswirkungen hätte das für eine Demokratie? Für welche Länder schätzt du derzeit Risiken für problematische Entwicklungen im gesellschaftlichen und politischen Bereich als besonders hoch ein? Aus welchen Gründen?
Auf den Webseiten von Amnesty International Österreich, eurotopics.net sowie epicenter.works (Interessensvertretung für den sorgsamen Umgang mit Chancen und Risiken der Technik im Bereich Grund- und Freiheitsrechte) findest du Hinweise, welche Probleme im Menschenrechts- und Demokratiebereich in dieser Krisenzeit aufgetaucht sind:
www.amnesty.at/presse/covid-19-gesetz-in-ungarn-freibrief-zur-einschraenkung-der-menschenrechte/
www.eurotopics.net/de/237596/covid-19-eine-krise-auch-fuer-die-demokratie
d) Thema Grenzen der Pressefreiheit: Artikel 10 der EMRK betrifft die Freiheit der Meinungsäußerung. Einige europäische Staaten überlegen gerade, Strafen einzuführen oder zu verstärken (sogar Gefängnisstrafen!), wenn Falschinformationen während der Pandemie verbreitet werden. Begründet wird das damit, dass verzerrte Nachrichten die eine wirksame Abwehr gegen das Virus behindern oder verhindern würden.
Wie beurteilst du diese Ideen für Maßnahmen gegen Falschmeldungen?
Lies dazu auch den Artikel „Pressefreiheit in der Corona-Krise“ (Website Reporter ohne Grenzen Österreich):
www.reporter-ohne-grenzen.de/themen/pressefreiheit-in-der-corona-krise/ueberblick/
Schritt 4: Wenn du das Word-Dokument fertig gestellt hast, tausche dich mit einem Mitschüler/einer Mitschülerin digital oder telefonisch dazu aus.
- Schreibe ein paar Sätze zu eurem Austausch auf.
- Schicke alles digital an deine Lehrerin/deinen Lehrer. Ideal ist, wenn deine Arbeit für deine KlassenkollegInnen z.B. über Moodle einsehbar ist.
Linktipps
Europäische Menschenrechtskonvention (vereinfachte Version, Quelle: Europarat, www.coe.int, aus: Compasito. Handbuch zur Menschenrechtsbildung mit Kindern)
www.compasito-zmrb.ch/fileadmin/media/compasito-zmrb.ch/emrk_s_310_311.pdf
Geschichte der Konvention und gesamter Vertragstext:
www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/europarat-abkommen/emrk/
Begriff "Ausgangssperre" im Politiklexikon für junge Leute:
www.politik-lexikon.at/ausgangssperre/
Begriff "Grenze" im Politiklexikon für junge Leute: